“Freimaurermusik in Wien” –
Wenzel Ludwig Edler von Radolt


"Der Aller TreuestenVerschwignesten und nach so wohl Fröhlichen als Traurigen Humor sich richtenden Freindin Vergesellschafft sich mit anderen getreüen Fasalen Unserer Innersten Gemuets Regungen" (1701)

Concerto I d-moll
3 Liuti, 2 Violini, Violetta, Basso
Ouverture, Allemande, Courente, Sarabande, Menuette, Guigue, Menuett, Bouree, Retirada

Concerto VI C-Dur
Liuto, Violino, Traverso, Basso
Allemande, Courente, Sarabande, Bouree, Menuette, Guigue

Toccata VII F-Dur
Liuto, 2 Violini, Basso

Concerto VIII F-Dur
2 Liuti, 2 Violini Basso
Ouverture, Aria Pastorale, La Guerelle des Amantes, Menuette en Canon, Capricio en Canon, Guigue, Menuette

* * *

Concerto IX G-Dur

Liuto, Violino, Basso
Allemande e Guigue, Menuette e Courente, Aria e Sarabande, Bouree e Gavotte

Symphonia II g-moll
Liuto, 2 Violini, Basso

Concerto XII c-moll
Liuto, Violino, Viola di Gamba, Basso
Ouverture, Allemande, Courente, Sarabande, Menuette, Gavotte, Menuette, Guigue, Bouree, Retirada


Lauten: Hubert Hoffmann, Sven Schwannberger, Klaus Köb
ARS ANTIQUA AUSTRIA
Leitung: Gunar Letzbor, Violine

 

Konzertkritik

 

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Wenzel Ludwig Edler von Radolts Sammlung "Der Aller Treuesten Verschwignesten und nach so wohl Fröhlichen als Traurigen Humor sich richtenden Freindin Vergesellschafft sich mit anderen getreüen Fasalen Unserer Innersten Gemuets Regungen" wurde im Jahr 1701 in Wien bei J(oh)ann Michael Nestler in Druck gelegt und ist dem ( damals noch ) römischen König Josef I gewidmet. Radolt entstammte einem adeligen österreichisch - italienischen Geschlecht und verbrachte sein Leben, nach eigenem Bekunden, durch die "anraizende Benemblichkeit der vergnüglichen Musik dahin geleitet, daß ich meinen Lebenslauf ihr gewidmet",dürfte somit kaum als "Dilletant" im heutigen Sprachgebrauch gelten.

Bemerkenswert an dieser umfangreichen, 12 sog. "Concerti" beinhaltenden Sammlung in Art der Gattung "Wiener Lautenkonzert" ( einer um die Wende zum 18. Jhdt sich ebendort größter Beliebtheit erfreuenden Besetzung aus Violine, Laute und Bass) ist mancherlei: Ihre Besetzungsvielfalt vom 4 stimmigen Streicher Ensemble mit 3 obligaten Lauten in ebenso vielen Größen, bis zur relativ intimen Variante von nur einer Violine, obligater Viola da Gamba, Laute und Bass. Für ein weiteres Concerto (Nr. 6) regt der Komponist die Hinzuziehung eines Bläsers an. Schon bei oberflächlicher Sichtung des Werkes sticht eine ungewöhnliche Vielfalt an Formen ins Auge, von der groß angelegten Ouverturen-Suite über französische Galanterien zitierende Modetänze bis hin zu italienischen Formen, wie Toccata, Capriccio und Symphonia begegnen wir einem weiten Feld unterschiedlichster Musik - Charaktere, welche sich zudem deutlich auch in der Ausarbeitung der entsprechenden Sätze niederschlägt. Erst auf den zweiten Blick bemerkt man die kontrapunktisch kunstvolle Tonsprache in einigen Sätzen, die man in einer bloßen Suiten - Kompilation der Zeit nicht vermuten würde. Da die Sammlung in den Jahren 1714 ( Musikalienkatalog von Johann Michael Christophori) sowie 1732 (Wiener Diarium) erneut auftaucht, dürfte sie einige Verbreitung erfahren haben und dies sicherlich nicht nur aus archivalischen Gründen!

Umso erstaunlicher ist das bislang so geringe Interesse der Musikwissenschaft (unvollständige Exzerpte wurden im Jahre 1960 ediert) und der historisch informierten Aufführungspraxis an diesem Werk, handelt es sich dabei nicht nur um das umfangreichste, sondern bei weitem gehaltvollste Konvolut einer bislang wenig beachteten und erforschten Gattung, die auch im deutschen Sprachraum (etwa in entsprechenden Werken etwa eines Esajas Reussner) ihre Anhänger hatte. Nach einigen Recherchen ist es Mitgliedern des Ensembles Ars Antiqua Austria gelungen, alle der weit verstreuten Stimmbücher zusammen zu tragen und sie in einem Konzert und einer CD - Produktion einer interessierten Öffentlichkeit vorstellen zu können.

Der Umfang der Sammlung verbietet eine Gesamtaufführung des Werkes, umso mehr war es uns ein Anliegen, dem Publikum einen möglichst repräsentativen Querschnitt daraus zu präsentieren. Schon allein in der Vorstellung aller darin vorgeschlagenen Besetzungsvarianten ergibt sich ganz von allein ein höchst farbiges und abwechslungsreiches Konzertprogramm: Concerto I d-moll führt nicht nur das größte vom Autor geforderte Ensemble aus 3 Lauten in ebenso vielen Stimmtönen sowie 2 Violinen, Diskantgambe und Bass vor, sondern auch den Typus der Ouverturen - Suite, wie er im späten 17. Jahrhundert am Wiener Kaiserhof gepflegt wurde. Nach einer dreiteiligen Ouverture mit schnellem, fugiertem Mittelteil, begegnet uns die seit J. J. Froberger gefügte Tanzsatzfolge aus Allemande Courante und Sarabande, in ihrer Folge ergänzt durch eine willkürliche Reihung weiterer Modetänze der Zeit. Den Beschluß bildet eine langsame Retirada, eine österreichische Spezialität, wie wir sie auch etwa aus Werken H. Schmelzers und H. I. F. Bibers kennen. Derselbe Typus begegnet uns auch in Concerto XII c-moll, dort jedoch in einer ganz anderen Klangfärbung, durch den Einsatz der in Wien, neben der Laute, weit verbreiteten Viola da Gamba.

Viel "moderner" präsentiert sich Concerto VI in F-Dur durch den Einsatz von „allamode“ Sätzen wie einer „Aria Pastorale“ oder der „Querelle des Amantes“. Im zweiten Teil führt der Komponist dann jene kontrapunktischen Künste ein, deren er sich bereits im (ungewöhnlich ausführlichen) Vorwort rühmte. Zwei Menuette, das Capriccio und die Gigue sind auf "Kanonische Art" ausgeführt und weisen auf diese weitere Eigenart der Sammlung hin, welche bei unserer Auswahl in zwei weiteren Concerti auffällt.


Concerto VIII C-Dur zeigt uns eine ganze Suite von Tänzen, die nacheinander über einer ostinaten Aria erklingen. Es entsteht so eine Variation der Solovioline über einem stets gleich bleibenden harmonisch - melodischem Gerüst, bei uns ausgeführt durch Laute und Traversflöte: Die barocke "Lust an der Wiederholung" auf höchst kunstvolle, metrische Art.

Noch einen Schritt weiter auf diesem Weg geht Radolt im Concerto IX G-Dur, wo gleichzeitig eine Gigue und eine Allemande, ein Menuet mit einer Courante sowie eine Aria und eine Sarabande erklingen. Dieses rhythmisch feinst ziselierte Gebilde erklingt im heutigen Konzert als Lautenduo mit einer Colascione (einer weiteren österreichisch - süddeutschen Spezialität) im Bass.

Den italienischen Einfluß spüren wir sicherlich in der freien Formaneinanderreihung der Toccata (ganz dem Einfluß Frescobaldis verpflichtet und in Wien durch J .C. Kerll und Georg Muffat gepflegt), oder jener wundervollen Symphonia g-moll, die etwas von der "cantablen Anmut" und der "zarten Melancholie" atmet, für die man die Laute im 17. Und 18. Jahrhundert so sehr schätzte. Charakteristika , allerdings, die auch für ihren baldigen Niedergang verantwortlich waren.

Hubert Hoffmann

 

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